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Übergangspapst Trump

Trump stützt sich stark auf Ältere und Provinz, während die Revolution erst dann in Schwung kommt, wenn auch die jungen Städter abspringen.
10 november 2016

Es geschehen tatsächlich noch Zeichen und Wunder in dieser Welt. Als ultimativer Gegenpol zum aktuellen Präsidenten Barack Obama wird Republikaner Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten. Der eine ein kultivierter und intellektueller Leader, der andere vor allem ein Prahlhans, der seine Inkompetenz und Inkonsistenz schamlos zur Schau stellt. In jedem anderen Wahljahr hätte ein solcher Kandidat noch nicht einmal die Vorauswahl überstanden, doch 2016 ist das Jahr der stillen Revolution. Das Jahr, in dem die älteren, weißen Männer aus der Provinz sagen: Bis hierher und nicht weiter.

Leichtgewicht

Noch lässt sich nur erahnen, wie stark Trump das Weltgeschehen tatsächlich erschüttern wird. Fest steht hingegen, dass die Welt nicht mehr so sein wird, wie sie war. Globalisierung legt den Rückwärtsgang ein, Toleranz wird dem eigenen Interesse und der eigenen Identität untergeordnet. Doch andererseits ist Trump nur ein Leichtgewicht, jemand, der so unbeholfen ist, dass er sich genauso gut selbst unschädlich macht, oder der aufgrund seiner tollkühnen Äußerungen und Versprechen eines Tages von der Wirklichkeit eingeholt wird.

Was Trump jetzt in die Hände spielt, ist, dass sowohl die Erste als auch Zweite Kammer des amerikanischen Kongresses in republikanischer Hand bleiben, wodurch sich Regierungsvorschläge einfacher umsetzen lassen. Aber die Partei überschlägt sich nicht vor Begeisterung für den Milliardär und es ist die Frage, ob Politiker und Entscheidungsträger von Format sich gemeinsam mit einem potentiellen Bruchpilot präsentieren möchten. Umso mehr, da die amerikanische Bevölkerung immer weniger weiß wird und die Republikaner bereits nach vorne schauen werden auf die Zeit nach Trump in 2020.

Rache

Mit der Wahl Trumps ist die Katz nun jedenfalls aus dem Sack. Was einst als Tropfen begann, ist zur Welle entartet und könnte sich weiter zu einem Tsunami auftürmen. Denn auch in Europa stehen Populisten bereit, um Länder „groß zu machen“ und die „Kontrolle zurückzugewinnen“. Und auch hier werden Institutionen wie Parlament, Rechtsprechung oder Medien als voreingenommen und korrupt betrachtet. Damit scheint das Ergebnis zukünftiger Referenden oder Winner-takes-all-Wahlen bereits so gut wie festzustehen.

Dieser Absolutismus entweder des totalen Dafürs oder Dagegens ist das größte Risiko unserer Zeit. Unsere Welt befindet sich schon so lange in einem Prozess der Polarisierung, dass sie in einer Pattsituation zum Stillstand gekommen ist, was bei den sich als Verlierer wähnenden Wählern nur noch mehr Frust aufgestaut hat. Da diese Wähler nun beginnen Mehrheiten zu bilden, besteht die Gefahr, dass wir aus Rache ins Gegenteil verfallen. So sind es zum Beispiel die 52 % der Ja-Wähler, die jetzt in Großbritannien einen 100 %igen Brexit anstreben.

Vakuum

Für europäische Länder lauert die Gefahr dieses ungebremsten Populismus noch aus einer anderen Ecke. Jetzt, da sich die Amerikaner in ihre eigenen inländischen Miseren zurückziehen, werden sich Russen, Chinesen und andere in der Idee bestärkt fühlen, als (regionale) Großmacht ein Wörtchen mitreden zu können. So werden sie nicht nur gern das anderswo entstandene Vakuum füllen, sondern sich auch mehr an unseren Grenzen manifestieren. Wir jedoch können unsere Konflikte nicht mehr anderweitig austragen lassen und werden damit selbst in den Widerstand treten müssen.

Nun gut, die Trumps dieser Welt sind zwar angekommen, doch wird sich damit nicht einfach alles ändern. Regieren ist etwas völlig anderes als Protestieren und auch die etablierten Parteien haben erkannt, dass das Ruder herumgerissen werden muss. Der Populismus stützt sich außerdem stark auf Ältere und Menschen aus der Provinz; Gruppen, die immer kleiner werden. Damit ist Trump eher ein Intermezzo in einer sich globalisierenden Welt. Erst dann, wenn auch die jungen Städter von Bord gehen, wird eine Revolution wirklich in Schwung kommen.

Übersetzt von Nadine Gruschwitz. Dieser Artikel wurde zuvor unter dem niederländischen Titel Tussenpaus Trump veröffentlicht.